Am 1. April hatten wir Initiatoren alle interessierten Berliner Biker eingeladen, mit uns Details des Projekts "Soforthilfe für verunfallte Radkuriere" zu besprechen und einige Leute zu wählen, die künftig an der Entscheidungsfindung beteiligt werden.
Gekommen sind - außer den bereits gemeldeten Weißen - ganze drei Mann.
Nun mag man darüber spekulieren, warum so wenig kamen. Kein Bedarf? Nicht Bescheid gewusst? Alles bereits klar? Tatsache ist, dass bis heute 19 Berliner Radkuriere ihre Beteiligung zugesagt haben - und ein einziger davon keinen Anschlussvertrag bei GO! hat. 18 von 30 einer Zentrale sind durchaus ein respektabler Anteil - ca. 20 von etwa 200 der ganzen Stadt klar zu wenige.
Heisst das nun, dass dass die Geschichte Buden-intern organisiert wird?
Nein!
Es bestanden - und bestehen - zwei Möglichkeiten, die Sache in den Sand zu setzen:
1) So lange über die Idee reden zu wollen, bis alle Erwägungen abgeschlossen und die Teilnahme "aller" geklärt ist;
2) Diesen Beitrag zur Entwicklung einer Assoziation berliner bzw. deutscher resp. deutschsprachiger Fahrradkuriere im Rahmen einer einzelnen Zentrale und in einer einzigen Stadt mit unserem vereinzelten Projekt anzugehen, ohne die übergreifenden und weiter reichenden Ambitionen mitzudenken und deren Realisierung mit vorzubereiten.
Da wir also sowohl mit einem einzelnen Lösungsansatz umgehend starten als auch zugleich für möglichst viele Ideen und sämtliche Leute offen bleiben wollen, ergibt sich notwendig eine Gleichzeitigkeit von Handeln und Denken. Weil die Ergebnisse gemeinsamer Überlegungen eben nicht umzusetzen sind, bevor die Diskussionen miteinander geführt und gemeinschaftlich Entscheidungen getroffen wurden, müssen und werden wir nun mehr oder weniger isoliert beginnen - ohne die aktuelle Situation für endgültig zu nehmen.
Nur mit dieser Position erreichen wir im Augenblick beide Ziele. Andererseits entsprechen die daraus resultierenden Konsequenzen unserer untereinander festgestellten Überzeugung. Denn uns geht es nicht darum, eine hierarchisch strukturierte Organisationsform zu etablieren, sondern ein gleichberechtigtes Miteinander der verschiedenen lokalen Initiativen zu entwickeln. Unsere Vision besteht darin, in den verschiedenen Citys eigenständige Organisationen zur Verhandlung und Lösung unmittelbarer Probleme vor Ort zu haben - wie dies ja in einigen Städten bereits zu funktionieren scheint - die gemeinsam allgemeinere (durchaus abgestimmte) Ziele verfolgen.
Genau da sollen und könnten sich sowohl das Projekt einer Soforthilfe für verunfallte Radkuriere als auch unser Radkurier-Verein insgesamt eingliedern. Im Prinzip ist es nebensächlich, ob innerhalb einer Stadt besipielsweise jeweils alle mit einer bestimmten Vermittlungsfirma verbundenen Selbstständige sich immer wieder spontan zusammenfinden, oder viele Berliner Radkuriere mehr oder weniger regelmäßig innerhalb eines gemeinsamen Vereins. Entscheidend bleibt, ob und inwieweit mehrheitliche Positionen bestimmt und diese unabhängig von allen Zentralen miteinander umgesetzt werden. Wie Mischka schrieb: "Wir brauchen, um unseren vorderungen mehr gewicht zu geben den einen berühmten politischen arm" - eine Organisation zur Vertretung unserer Interessen.
Ähnlich verhält es sich konkret mit der Unfallhilfe. Es besteht die reale Möglichkeit, das bereits bestehende Angebot von BMEF/IFBMA zu nutzen. Ebenso gibt es gute Gründe, unsere europäischen, nationalen und vielleicht sogar örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen und (eine) eigene, modifizierte Variante(n) der Idee bei uns zu verwirklichen.
Ein paar Details: Mancher ist plötzlich überrascht, dass jeder einzahlen soll, um etwas zu erhalten. Klingt wohl, als müsste man ungerechtfertigt viel leisten. Tatsache ist aber doch, dass dies das Kernproblem der Realisierung darstellt - keine Hilfe kann funktionieren, werden nur die Nehmer und keine Geber berücksichtigt. Irgendwoher muss das Geld in jedem Fall kommen, egal wer es verwaltet. Beim BMEF besteht die Praxis darin, vor allem extern Spenden zu sammeln und - was wohl bisher unberücksichtigt blieb - in der Erwartung, dass der Begünstigte möglichst die gewährte Summe irgendwann wieder zurückzahlt. Nach unserem bisherigem Kenntnisstand gelten die Zahlungen aus Deutschland nicht als Spenden, lassen sich möglicherweise grundsätzlich nicht von der Steuer absetzen. Da sind wir dran, das abschließend zu klären. (Kann jemand was dazu sagen - am besten aus eigener Erfahrung?) Sicher ist bereits, dass auf jeden Fall nicht unerhebliche Transferbeträge bei jeder Ein- und Auszahlung fällig werden. Wie Norbert bereits forderte; "Das mindeste, was gebraucht wird, ist ein Konto in Europa. Bei z.B. zwei Konten (hier und drüben) muss nur noch Geld fliessen, wenn eines der Konten leer ist, anstatt bei jeder Einzahlung und auch jedem Unfall."
Aber auch dann werden Zentralen - nach unserer Überzeugung - sich nicht unbedingt an der Finanzierung beteiligen, weil "ihr" Geld "unkontrollierbar" "irgendwohin" entschwindet und sich der Bezug zur Unterstützung der "eigenen" Biker kaum direkt herstellen lässt. Die einzig realistische Möglichkeit für eine dauerhafte Mitwirkung der Buden scheint die lokale (am liebsten wohl: firmeninterne) Begrenzung der potenziell Betroffenen. Und: "Ein Verein kann die Zentralen angehen, als Verein. Also weniger Risiko, einzelne Fahrer als Aufrührer in die Schusslinie zu stellen". (Norbert)
Bisher gibt es übrigens eine Zusage: die von Lars Richter, LRT
http://www.lrtkurier.de/. Seine Auflage: Missbrauch ausschließen, rechtlich korrektes Handling. Danke!! Allerdings kam von "seinen" Kurieren - trotz gegenteiliger Ankündigungen einzelner - niemand zu dem Treffen.
Jedenfalls sorgt unsere Idee sich nicht nur um die Ausgaben, sondern klärt auch die Einzahlungen. Von daher führt die Verknüpfung beider Positionen dazu, dass nur die beitragenden Kuriere im Fall des Falles auch eine Unterstützung erhalten. Das Argument ist aber nicht vernünftig, dies als Nachteil zu sehen. Denn unser Ziel ist eben keine günstige Versicherung, sondern praktizierte Solidarität. Erreicht werden soll, dass sich beizeiten alle an der Hilfe beteiligen - und nicht die einen im Unglücksfall auf die Vorsorge anderer hoffen müssen.
Das Neue und Bedeutsame an dem Gedanken, die Sache nicht über den BMEF sondern direkt vor Ort zu regeln, besteht in der Berücksichtgung des deutschen resp. europäischen Rechts (Spendenquittungen), der Einforderung der Mit-Verantwortung der Zentralen sowie in der Begünstigung von schneller Schadensfeststellung wie kompetenter Auszahlentscheidung. Wie Fuffich argumentierte: "courier-crash steht nicht gegen bmef und muß auch nicht so nebeneinander gesehen werden. zumindest nyc hat ne eigene kasse, andere bma's vielleicht auch, da gibts keine konkurrenzen."
Im Grunde sind dennoch zwei Modelle denkbar:
1) In allen relevanten deutschen / deutschsprachigen Städten entstehen Hilfskassen, in die lokal eingezahlt und aus denen lokal verteilt wird; wobei eine lokale Rechtsträgerschaft installiert werden / sein muss.
1a) Diese lokalen Hilfskassen werden in Unterkonten eines gemeinsamen Hauptkontos geführt, wobei jeweils zwei oder mehr örtliche Verantwortliche für "ihr" Unterkonto "entscheidungsbefugt" sind. In diesem Fall benötigte man zwingend nur einen einzigen gemeinnützigen e.V. für alle; dessen Vorstand könnte die Entscheidungen (wie jetzt im Berliner Beispiel beabsichtigt) den lokalen Verantwortlichen überlassen und bloß die Auszahlung selbst rechtskräftig anweisen. Es fiele nur eine Kontogebühr an und eine städteübergreifende Hilfe wäre prinzipiell unkompliziert möglich.
1b) Bestehende oder zu gründene Vereine in den Städten bilden ebenfalls einen Verbund unter einer (nicht aus natürlichen, sondern ausschließlich juristischen Personen bestehenden) Dachorganisation. Dies wäre wahrscheinlich der simpelste Weg, um steuer- und vereinsrechtliche Widersprüche zu lösen. (Problem: Die Mitwirkung in einem gemeinnützigen Verein muss uneigennützig erfolgen, während die Auszahlung von gemeinsamen Mitteln an einzelne Mitglieder eben sehr schwer als nicht uneigennützig darstellbar ist.)
2) In einigen Städten (oder auch einer einzigen City und vielleicht sogar im Rahmen einer einzelnen Zentrale) entsteht so eine Hilfskasse. Von allen Einzahlungen wird ein Betrag X (z.B. 20%) an den BMEF (der ein Konto in Deutschland / Europa führt) überwiesen. Dann wäre die Kooperation wie folgt denkbar: Bei einem Unfall mit Folgen zwischen z.B. einer Woche bis einem Monat Fahrunfähigkeit des Verunglückten zahlt die lokale Kasse. Ist aber ein längerer Ausfall (mehr als ein Monat) zu erwarten, kommt das Geld vom BMEF. Somit würde de facto "nur" das bereits bestehende Angebot erweitert (nämlich auch bei kurzfristigeren Folgen eintreten) und die internationale Initiative unmittelbar unterstützt.
Problem ist, dass auch in diesem Fall wohl mehr Geld in den BMEF-Topf von uns kommen muss, da die Voraussetzung der Bedürftigkeit aufgrund unseres Leistungsprinzips der Verknüpfung von Ein- und Auszahlungen wegfiele. Norbert: "Für den eventuellen Fall, dass Stimmen laut werden, die eine Seite läge der anderen auf der Tasche, sollte man sich allerdings noch ein paar Gedanken machen."
Wie auch immer: Wir werden das Projekt 'courier-crash jetzt (nach endgültigem Abschluss der Anmeldeformalitäten unseres dafür erforderlichen Radkurier-Vereins) so oder so starten. Von uns aus sind alle Entscheidungen so getroffen worden, dass keine Wege verbaut wurden. Wir denken, dass die Umsetzung des Projekts beste Voraussetzungen für eine Assoziation schafft, da - wie Hansch schrieb - "die kasse den gemeinschaftsgedanken stärkt."
Aber bitte, wenn es beim gegenwärtigen Stand bleiben sollte: Nehmen wir die Sache als Experiment - letztlich erleichtert uns Initiatoren selbst das im Moment sogar die Situation. Auf unserer Site werden wir Ein- und Auszahlungen sowie Teilnehmerzahlen ab Start des Projekts stets aktuell darstellen. Mag sich jeder über die Wirksamkeit ein eigenes Urteil bilden und ggf. später seine derzeitige Ablehnung / das augenblickliche Desinteresse überdenken und korrigieren. Noch einmal Norbert: "Allerdings ist es dazu auch nötig, dass ihr zahlreich mit macht. Es geht um euer aller Glaubwürdigkeit." Ich würde nur 'ihr/euer' durch 'wir/unser' ersetzen.
Aber in jedem Fall geht es parallel dazu auch um die prinzipiellen Überlegungen und daraus folgenden Entscheidungen für lokale / regionale BMA und geeignete gemeinsame Initiativen. Vielleicht ist die DKM in Frankfurt ein passender Termin, um - auf der Grundlage zuvor geführter Diskussionen - miteinander zu weiteren Ergebnissen zu kommen.
Jan
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